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Kapitel 5 und 6: Komplexe Zahlen
Der
Mathematiker Adrien
Douady erklärt uns die Komplexen Zahlen. Die Quadratwurzel einer
negativen Zahl wird mit einfachen Worten erläutert. Transformation
der Ebene, Deformierung von Bildern, Erzeugung von Fraktalbildern.
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1. Der Vortragende
Die Komplexen
Zahlen
sind sicher eines der schönsten Gebiete der Mathematik und
inzwischen ein unverzichtbares Werkzeug in anderen Wissenschaften. Der
Weg zu ihrer Entdeckung war allerdings nicht leicht, woran die
verwendeten Begriffe einen wesentlichen Anteil haben. Man hat sie
"unmögliche" und "imaginäre" Zahlen genannt, und der Begriff
"komplex" vermittelt ebenfalls die Vorstellung, dass sie schwer zu
verstehen sind. Das ist aber gar nicht der Fall, tatsächlich
können wir sie auf relativ einfache Art und Weise vorstellen.
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Adrien Douady präsentiert
diese Kapitel. Er
war ein außergewöhnlicher Mathematiker und hat viel zu
diesem mathematischen Gebiet beigetragen. Seiner eigenen Meinung nach
hat sich eigentlich seine gesamte Forschung um Komplexe Zahlen gedreht.
Insbesondere war er Mitglied einer Gruppe von Mathematikern, die die
Theorie der dynamischen Systeme, zu denen wir später noch
zurückkommen, revidiert haben.
Eine charakteristische Eigenschaft der dynamischen
Systeme sind die wunderschönen fraktalen Bilder, die man heute
dank Computern anzeigen und ausdrucken kann. Adrian Douady hat diese
Bilder nach besten Kräften gefördert, einerseits um
Mathematiker bei ihrer Forschung zu unterstützen, anderseits um
die Mathematik insgesamt populärer zu machen.
Douady verdanken wir auch eine mathematische
Animation
mit dem Titel The Dynamics of the Rabbit (er liebte es mathematischen
Objekten ungewöhnliche Namen zu geben: Rabbit, Airplane, die
Comicfigur Shadok usw.). Sein kürzlicher Tod hat die mathematische
Gemeinschaft tief betrübt. Mehr über seine
Persönlichkeit finden Sie hier
und hier
(in Französisch).
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Es versteht sich von selbst, dass selbst Douady in
zwei
Kapiteln bzw. 13 Minuten nicht die komplette Theorie der Komplexen
Zahlen vorstellen kann. Diese Kapitel ersetzen weder einen College-Kurs
(vergl. Bachelor), noch ein Buch oder eine detailliertere Darstellung
des Themas (wie bspw. auf dieser
oder dieser
Website). (see for example this site or this one).
Sie sollten diese Kapitel als Ergänzung verstehen, als
Illustrationen, die zu einem vertieften Einstieg anregen wollen, bzw.
als Repetition verschütteten Wissens. Der Film legt sein
Hauptaugenmerk natürlich vor allem auf die geometrische Seite der
Komplexen Zahlen.
2. Zahlen und Transformationen
Wir haben bereits gesehen, dass die Gerade
eindimensional ist, denn wir können Zahlen auf ihr positionieren -
positive rechts und negative links vom Ursprung. Punkte sind
geometrische Objekte, während Zahlen algebraische Objekte sind.
Die Idee, Zahlen als Punkte und Punkte als Zahlen zu interpretieren,
und somit Algebra und Geometrie miteinander zu vermischen, ist sicher
eine der fruchtbarsten Ideen der Mathematik. Wie so häufig kann
man auch diese nur schwer einer einzelnen Person zusprechen, aber
allgemein wird Descartes
als Urheber dieser mächtigen Methode zum Studium der Geometrie
mittels Algebra angesehen und sie ist die Geburtsstunde der algebraischen
Geometrie.
Wenn es sich bei den Punkten einer Geraden um Zahlen handelt, dann kann
man die Bedeutung der Grundrechenoperationen der Zahlen, die Addition
und die Multiplikation, geometrisch verstehen. Der Schlüssel zu
diesem Verständnis liegt in der Idee der Transformation.
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Als Beispiel betrachten wir die Verringerung einer
Zahl x
um 1,
dies entspricht der Transformation x-1,
die geometrisch als Translation oder Verschiebung verstanden werden
kann - alle Punkte werden um eins nach links verschoben. Genauso kann
man sich die Multiplikation mit 2
als Dilatation
(Verdünnung oder Skalierung) vorstellen.
Die Multiplikation mit -1,
die jeden Punkt x
auf -x
abbildet, kann man als Symmetrie (Spiegelung) verstehen, denn alle
Punkte werden auf ihren entsprechenden Punkt auf der anderen Seite des
Ursprungs abgebildet. Die Multiplikation mit -2
ist einfach die Kombination der beiden letzten Operationen, d.h. die
Multiplikation zweier Zahlen entspricht einfach der Kombination der
entsprechenden Transformationen. Beispielsweise ist die Multiplikation
mit -1
eine symmetrische Transformation, die durch eine Wiederholung dieser
Operation wieder den Ausgangszustand herstellt, genauso wie das Produkt
von -1
mit sich selbst +1
ist. Das Quadrat von -1
ist +1.
Und das Quadrat von -2
ist +4.
Wie man leicht selbst überprüfen kann ist das Quadrat jeder
beliebigen Zahl immer positiv. Es gibt keine Zahl, deren Quadrat -1
ist.
Anders gesagt: -1
besitzt
keine Quadratwurzel.
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Sie das Bild an, um den Film zu starten. |
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3. Die Quadratwurzel von -1
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Die Unmöglichkeit eine Quadratwurzel für -1
finden zu können war lange Zeit ein Dogma, dass nicht diskutiert
werden durfte. Während der Renaissance haben es allerdings einige
innovative Köpfe gewagt, dieses Tabu zu brechen! Wenn man sich
aber die Schreibweise √-1 erlaubt, ohne sich weitere Gedanken
über ihre Bedeutung zu machen, dann kann man auch Zahlen wie
2+3√-1 schreiben und damit genauso wie mit den "normalen"
Zahlen operieren. Diese Pioniere haben im wörtlichen Sinne mit
diesen unmöglichen Zahlen auf einer nahezu experimentellen Ebene
Berechnungen durchgeführt. Da sich bei diesen Berechnungen keine
Hinweise für ein Unzulässigkeit dieser Schreibweise ergaben
wurde sie allmählich von den Mathematikern akzeptiert, obwohl es
keine gesicherte Begründung gab.
Die Geschichte dieser Zahlen ist recht lang und
wir
wollen hier nicht die Schritte beschreiben, die zu gefestigten Existenz
geführt haben. Einen kurzen Abriss ihrer Geschichte finden Sie
unter anderem hier.
Für uns reicht die extrem starke Vereinfachung, dass mit Beginn des 19.
Jahrhunderts diverse Mathematiker, zu denen Gauß,
Wessel
und Argand
zählten, die geometrische Eigenschaft dieser imaginären
Zahlen wahrnahmen. Der Film zeigt eine vereinfachte Darstellung einer
sehr einfachen Idee von Argand.
(Klicken
Sie das Bild an, um Argand's Originalartikel zu öffnen. )
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Die Zahl -1 ist mit der symmetrischen Spiegelung
am
Ursprung verknüpft, die einer halben Umdrehung entspricht. Die
Suche nach der Quadratwurzel von -1 ist die Suche nach einer
Transformation, die zweimal direkt aufeinander angewendet eine halbe
Umdrehung ergibt. Argand deklarierte daher ganz einfach, dass die
Quadratwurzel von -1 mit einer Vierteldrehung
verknüpft sein muss. Zwei aufeinander folgende Vierteldrehungen
ergeben eine halbe Umdrehung bzw. eine Multiplikation mit -1.
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Bei der Verfolgung dieser Idee sehen wir, dass man
die
Quadratwurzel von -1 erhält, wenn man bei 1 beginnt und eine
Vierteldrehung durchführt. Nun liegt der Endpunkt dieser Drehung
natürlich nicht auf der Geraden und damit haben wir soeben
entschieden, dass die Quadratwurzel von -1 nicht auf der Geraden,
sondern in der Ebene liegt!
Eine einfache und elegante Idee: die
Interpretation der
Punkte der Ebene als Zahlen. Aber es handelt sich dabei natürlich
nicht mehr um die gewohnten Zahlen. Aus diesem Grund bezeichnen wir die
"traditionellen" Zahlen als die Reellen Zahlen, während die gerade
neu definierten Zahlen, die mit Punkten in der Ebene verknüpft
sind, Komplexe Zahlen heissen.
Wenn wir eine Zahl aus dieser Ebene mit ihren
beiden Koordinaten (x, y)
darstellen, bei denen es sich um reelle Zahlen handelt, dann verlassen
wir die Gerade mit der Gleichung y = 0,
und der Punkt (0,
1) wird durch eine Vierteldrehung auf den Punkt (1, 0)
abgebildet. Aus diesem Grund betrachtete Argand diesen Punkt als
Quadratwurzel von
-1. Die von diesem "Taschenspielertrick" immer noch
überraschten Mathematiker nannten die Zahl i,
abgeleitet von "imaginär". Um diese Zahlen addieren zu können
betrachten wir die Zahl x + i y
als die Zahl mit den Koordinaten (x, y).
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Sie das Bild an, um den Film zu starten. |
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Zusammengefasst fordert uns Argand dazu auf, die
Ebenenpunkte (x, y) nicht
als Paare reeller Zahlen, sondern als einzelne (komplexe) Zahl zu
verstehen. Das erscheint zuerst sicher sehr ungewöhlich und
künstlich, aber wir werden in Kürze sehen, wie mächtig
diese Idee ist.
4. Komplexe Arithmetik
Was nun folgt ist nicht schwer. Nach den ganzen
Spekulationen haben wir eine komplexe Zahl als Einheit zweier reeller
Zahlen definiert, d.h. als Punkt in der Ebene, den wir in der
Form z
= x + i y
schreiben. Jetzt sehen wir uns an, wie man zwei komplexe Zahlen
addieren und multiplizieren kann, und ob die uns bekannten
Eigenschaften der Algebra immer noch gültig sind. Wir müssen
z.B. überprüfen, ob die Addition zweier komplexer Zahlen
unabhängig von der Reihenfolge zum identischen Ergebnis
führt. Das kann man natürlich mathematisch trocken machen,
aber das ist ganz sicher nicht das Anliegen dieses Films. Falls Sie
sich dafür interessieren: hier
finden Sie eine Darstellung der Theorie der komplexen Zahlen. .
Für die Addition ist das leicht: wir haben die
Gleichung (x
+ i y) + (x' + i y') = (x + x') + i (y + y'), d.h. die
Addition komplexer Zahlen läuft auf die Addition der entsprechenden
Vektoren hinaus.
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Für die Multiplikation ist es schon schwieriger.
Die Gleichung lautet jetzt :
(x+i y).(x'+i y') =
xx' + i xy' + i yx'
+ i2 yy' = (xx'-yy') + i (xy'+x'y)
und es ist ein kleines Wunder, dass die Gleichung
stimmt. Denn es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass wir auch drei
komplexe Zahlen beliebig miteinander multiplizieren können und
trotzdem dasselbe Ergebnis erhalten, oder dass wir immer durch eine von
Null verschiedene komplexe Zahl dividieren können. Dieses kleine
Wunder wird im Film nicht erklärt... es hätte einfach zu
lange gedauert!
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den Film zu starten. |
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Für das noch folgende sind zwei andere Konzepte
sehr nützlich:
Der Modul
oder Betrag einer komplexen Zahl z = x + i y
ist einfach der Abstand des entsprechenden Punkts (x, y) zum
Ursprung. Wir kennzeichnen ihn mit und der Wert entspricht gemäss dem
Satz des Pythagoras |z|= √(x2+y2).
So hat z.B. i den Modul 1 und der Modul von z = 1 + i
ist √2.
Das Argument
ist ein Maß für die Richtung von z.
Wir kennzeichnen es mit Arg(z)
und es ist einfach der Winkel zwischen der x-Achse (oder reellen Achse)
und der Geraden vom Ursprung zum Punkt (x, y)
in der komplexen Ebene. Für z=0 lässt sich kein Argument angeben.
Einige Beispiele: das Argument von i
ist 90°, das Argument von 1 ist 0°, das von -1 ist 180° und das von 1+i
ist 45°.
Mathematiker haben lange nach einer Möglichkeit
gesucht, dasselbe auch in drei Dimensionen zu machen. Aber wie
multipliziert man Punkte im Raum? Es hat einige Zeit gedauert, bis sie
zur Einsicht kamen, dass das unmöglich ist. Für den
vierdimensionalen Raum zeigte sich jedoch, dass es teilweise
möglich ist, wenn man die Idee der Kommutativität der
Multiplikation
(ab = ba)
aufgibt! Und sie fanden sogar heraus, dass man dies auch im
achtdimensionalen Raum machen kann, wenn man die Assoziativität
der Multiplikation ((ab)c =
a(bc))
aufgibt. Mitte des 20. Jahrhunderts erkannten sie dann allerdings, dass
die Multiplikation von Punkten nur in den Dimensionen 1, 2, 4 und 8
möglich ist. Weitere Hintergrundinformationen finden Sie hier,
hier
und hier.
Fassen
wir zusammen: jeder Punkt der Ebene entspricht einer einzelnen Zahl -
nämlich einer komplexen Zahl.
Die Ebene, die wir bisher als zweidimensional bezeichnet haben, wird
nun eindimensional! Daraus entsteht nicht der geringste Widerspruch:
die Ebene hat zwar zwei reelle Dimensionen, stellt aber nur eine
eindimensionale komplexe Gerade dar. Reelle Ebene, komplexe Gerade -
zwei reelle Dimensionen, eine komplexe Dimension. Wortspielereien?
5. Und erneut: die stereografische Projektion
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Nochmal zur stereografischen Projektion: sie
transformiert die zweidimensionale Kugelhülle, ohne den Nordpol,
in die Tangentenebene an ihrem Südpol. Je näher ein Punkt zum
Nordpol wandert, desto weiter wandert seine Projektion auf der Ebene
und wir sagen, er strebt gegen Unendlich.
Wenn wir uns nun die Tangentialebene am Südpol als
komplexe Gerade vorstellen wird klar, warum man die zweidimensionale
Kugelhülle (2 reelle Dimensionen) häufig als komplexe Projektionsgerade
bezeichnet. Die Bezeichnung einer Kugeloberfläche als Gerade ist
ein schönes Beispiel für mathematische Akrobatik!
Hat nicht schon Henri Poincaré gesagt, die
Mathematik bestehe daraus denselben Dingen unterschiedliche Namen zu
geben?
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6. Transformationen
( siehe Film:
Kapitel 6: Komplexe Zahlen, Fortsetzung )
In diesem Kapitel versuchen wir ein Gefühl für
komplexe Zahlen zu bekommen, indem wir uns verschiedene
Transformationen der komplexen Geraden ansehen.
Eine Transformation T
ist eine mathematische Operation, die jeder komplexen Zahl z,
und damit auch jedem Punkt der Ebene, einen Punkt T(z)
zuordnet. Um das etwas anschaulicher zu machen legen wir das Bild von
Adrien Douady in die Ebene und sehen uns dann das Bild an, nachdem
jedes Pixel des Bildes T
unterworfen wurde.
Adrien hat für die Transformation T
unterschiedliche Beispiele ausgesucht:
T(z) = z/2
Jede Zahl wird halbiert. Natürlich das Bild dadurch um den Faktor 2
verkleinert, es ist also ein inverser
Zoom! Wir nennen das eine Homothetie.
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T(z) = iz
Das ergibt einfach eine Drehung um 90°, per Definition von i
...
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T(z) = (1+i)z
Da der Modul von 1+i
gleich √2 und das Argument 45° ist erhält man hiermit
eine Kombination von einer 45° Drehung und einer Homothetie mit dem
Faktor √2. Dies nennt man auch eine Ähnlichkeit. Diese
Transformation zeigt gleichzeitig einen bedeutenden Vorteil der
komplexen Zahlen, denn mit ihnen können wir Ähnlichkeiten
sehr einfach als Multiplikationen beschreiben.
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T(z) = z2
Damit kommen wir zur ersten nicht-linearen Transformation. Nachdem wir
das Bild etwas anders positioniert haben können wir die Auswirkung
der Quadrierung auf die komplexe Ebene beobachten - die Module werden
quadriert und die Argumente verdoppelt.
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T(z) = -1/z
Das ähnelt einer Transformation, die wir üblicherweise
Inversion (Umkehrung) nennen. Natürlich kann der Ursprung, der ja
der Zahl 0 entspricht, nicht transformiert werden, aber wir behelfen
uns mit der Übereinkunft, dass er im Unendlichen verschwindet.
Dafür gibt es einen einfachen Grund, denn je näher eine
komplexe Zahl dem Ursprung kommt, desto kleiner wird ihr Modul. Da aber
der Modul der transformierten Zahl -1/z
das Inverse des Moduls von z ist strebt er gegen Unendlich. Diese
Transformation hat also die Tendenz zur Explosion, d.h. sie
befördert alle Punkte in der Nähe des Ursprungs weit nach
aussen, auch außerhalb des Bildschirms... Andererseits
werden ehemals weit entfernte Punkte jetzt in der Nähe des
Ursprungs zusammengequetscht.
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Wegen der recht eleganten Beweisbarkeit einiger
Theoreme
haben Schulbücher haben lange Zeit ein Hauptaugenmerk auf die
Inversion gelegt. Eine der grundsätzlichen Eigenschaften der
Inversion ist die Abbildung von Kreisen als Kreise oder Linien. Sie
wird häufig von Künstlern verwendet, die sie als Anamorphose
bezeichnen.
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Ganz allgemein können wir mit vier komplexen
Zahlen a,
b, c und d
folgende Transformation durchführen:
T(z) = (az+b)/(cz+d).
Diese Art Transformationen haben in der Mathematik
diverse Namen - Möbius Transformationen, Homografien, Projektive
Transformationen - aber ihre grundlegende Eigenschaft ist die Abbildung
von Kreisen auf Kreise und Geraden. Dies ist die Gruppe der
Transformationen einer faszinierenden Geometrie, nämlich der
konformen Geometrie, die mit der Nicht-Euklidischen Geometrie verwandt
ist - aber das ist eine andere Geschichte!
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T(z) = z+k/z
T(z) = z+k/z diese Transformation wurde von Joukowsky
in seiner Studie der Aerodynamik
von Tragflächen
untersucht! Adrien Douady hätte aber auch andere Transformationen
auswählen können, vor allem solche, die seiner Figur besser
bekommen wären als diese! Wir verwenden diese Illustration, um
eine Grundeigenschaft dieser Transformation zu zeigen. Auf den ersten
Blick transformieren sie Kreise nicht mehr in Kreise oder Geraden (das
machen nur Möbius Transformationen), aber im infinitesimalen
Maßstab gilt dies auch hier weiterhin. Diese Art Transformationen
nennt man holomorph oder konform. Die griechischen und lateinischen
Wurzeln "holo" und "con" bedeuten "dasselbe", "morph" bedeutet
natürlich "Form". Die Bezeichnung steht also für die
Formerhaltung. Das Studium der holomorphen
Funktionen ist eines der wichtigsten Kapitel der Mathematik.
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6. Holomorphe Dynamik
Im zweiten Teil von Kapitel 6 gibt Adrien Douady
eine
Einführung in ein faszinierendes Thema, zu dem er selbst
wesentliche Beiträge geleistet hat. Es geht um die Julia Mengen,
die neben ihren grundsätzlichen mathematischen Eigenschaften auch
visuell sehr reizvoll sind (wobei beide Eigenschaften natürlich
zusammenhängen.) Nur selten besitzen bedeutende mathematische
Theorien auch eine derart außergewöhnliche visuelle
Attraktivität, die diverse
Künstler zu eigenen Bildern inspiriert hat.
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Der Ausgangspunkt ist erstaunlich einfach - wir
beginnen mit einer zufällig gewählten komplexen Zahl c
und betrachten dann die Transformation Tc(z)
= z2 + c.
Die Funktion quadriert als erstes die Zahl z
und addiert dann c
zum Ergebnis. Mit dem Startpunkt z
erhalten wir z1 = Tc(z)
als transformierten Punkt. Anschliessend bilden wir den transformierten
Punkt z2 = Tc(z1)
des transformierten Punkts. Wenn wir dies nun bis in alle Ewigkeit
fortsetzen, erhalten wir eine Folge zn
komplexer Zahlen, in der jede Zahl der transformierte Wert ihres
Vorgängers ist. Wir bezeichnen die Folge zn
als Orbit der ursprünglichen Zahl z
unter der Transformation Tc.
Durch das Studium des Verhaltens von zn
können wir die Dynamik von Tc
verstehen. Wir beschränken uns hier auf ein sehr einfaches
Beispiel, aber es reicht bereits aus, um ein wenig ungewöhnlich
schöne Mathematik zu betreiben.
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Betrachten wir zunächst den Fall c = 0.
Im Endeffekt ist dies nichts anderes als die wiederholte Anwendung der
Transformation Tc(z)=z2.
Der Modul jedes zn
ist somit das Quadrat des vorgehenden Moduls. Falls der Modul von z
nicht größer als 1 ist, d.h. wenn z
sich innerhalb der Kreisfläche mit dem Radius 1 um den Ursprung
befindet, bleiben alle zn
innerhalb der Kreisfläche. Ist der Modul von z
jedoch bedeutend größer als 1 wachsen die Moduln der
Nachfolger immer weiter und streben schließlich gegen Unendlich,
d.h. der Orbit verschwindet aus dem Bildschirm oder Sichtfeld!
Im ersten Fall sprechen wir von einem stabilen
Orbit,
denn er bleibt in einem definierten Bereich der Ebene. Im anderen Fall
sprechen wir von einem instabilen Orbit, denn er strebt gegen
Unendlich. Somit ist die Kreisscheibe die Menge der Punkte mit einem
stabilen Orbit.
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Ganz allgemein können wir für jeden Wert von c für
die Punkte z
zwischen zwei verschiedenen Arten von Orbiten unterscheiden. Der Orbit
von z
unter Tc
ist stabil, wenn er in einem begrenzten Bereich bleibt, und sonst
instabil. Die Menge aller z
mit einem stabilen Orbit heisst ausgefüllte Julia-Menge der
Transformation Tc.
Das Verständnis der Struktur dieser Julia-Mengen und der Änderungen in
Abhängigkeit von c
ist ein Hauptziel der Theorie holomorpher dynamischer Systeme.
Zunächst zeigt Adrien Douady uns einige Beispiele für Julia
Mengen mit unterschiedlichen Werten für c.
Einigen hat Adrien exotische Namen gegeben, beispielsweise "der Hase"
(sehen Sie seine Ohren) für die Julia Menge mit dem Wert c = -0,12 +
0,77i.
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Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wissen wir,
dass es
zwei verschiedene Arten von Julia Mengen gibt. Sie können aus
einer einzelnen Komponente bestehen, wie in den bisher gezeigten
Beispielen, und die Mathematiker nennen sie dann zusammenhängend,
oder sie ist völlig unzusammenhängend,
d.h. sie besteht aus unendlich vielen voneinander getrennten Bereichen,
von denen jeder einen leeren Innenraum aufweist. Das heisst nichts
anderes, als das wir sie auf einem Bild nicht sehen! Es gibt somit
Werte für c,
mit denen wir die Julia Menge sehen und andere, wo wir gar nichts von
ihr sehen (obwohl sie vorhanden ist.) Die Menge der Werte von c,
bei denen wir die Julia Menge sehen (wo die Julia Menge zusammenhängend
ist) heisst Mandelbrot
Menge, zu Ehren von Benoît
Mandelbrot.
Adrien Douady hat sehr viel zum Verständnis dieser Menge
beigetragen. Unter anderem hat er gezeigt, dass auch sie
selbst zusammenhängend
ist, und er hätte sehr gerne gezeigt (so wie viele andere), dass sie
lokal zusammenhängend
ist...
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Das Ende des Kapitels ist für einen Tauchgang in
die Mandelbrot Menge reserviert, und es ist ein Tieftauchgang, den der
Vergrößerungsfaktor ist in etwa 200 Milliarden! Man kann
sich diese Szene ganz unterschiedlich ansehen. Einerseits kann man
einfach ihren visuellen Reiz geniessen! Wir können uns
natürlich auch ein paar Fragen stellen...
Zum Beispiel diese: was bedeuten die Farben? Ein
altes
Theorem besagt, das die Julia Menge genau dann und nur dann nicht
verbunden ist (oder anders gesagt, c
gehört nicht zur Mandelbrot Menge), wenn der Orbit unter Tc
instabil ist. Für einen gegebenen Wert von c
können wir uns also den Orbit von z=0
unter Tc
ansehen und sein Verhalten für hohe Werte von n
beobachten. Wächst zn
sehr schnell bedeutet das gleichzeitig, dass c
nicht zur Mandelbrot Menge gehört und auch ziemlich weit von ihr
entfernt ist. Wenn der Orbit langsam gegen Unendlich strebt gehört
der Punkt c
zwar immer noch nicht zur Mandelbrot Menge, aber er liegt näher an
ihr dran. Die Farbe des Punkts c hängt von der Geschwindigkeit ab,
mit der die Folge zn
gegen Unendlich strebt, d.h. sie zeigt seine "Nähe" zur Mandelbrot
Menge. Bleibt dagegen znn
innerhalb eines festgelegten Bereichs, dann liegt c in der Mandelbrot
Menge und bekommt die Farbe Schwarz.
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In der Abbildung oben wurde die Mandelbrot Menge
auf
diese Weise eingefärbt, aber es gibt Dutzende anderer Methoden. Im
Film verwenden wir eine Methode namens "Dreiecksungleichung". Sobald
der Modul von zn über einen bestimmten Wert hinauswächst
berechnen wir die Moduln A=|zn-zn-2|,
B=|zn-zn-1|
und C=|zn-1-zn-2|..
Die Größe A/(B+C) ist
immer eine Zahl zwischen 0 und 1 und dient uns zur Auswahl einer
Position auf einer Farbscheibe.
Warum haben wir von Zeit zu Zeit den Eindruck,
neue
kleine schwarze Kopien der Mandelbrot Menge zu sehen? Die
vollständige Erklärung ist an dieser Stelle zu kompliziert,
aber es handelt sich dabei um eine der wichtigen Entdeckungen von
Adrien Douady: die Mandelbrot Menge besitzt die Eigenschaft der
Selbstähnlichkeit, die bei fraktalen Mengen häufig gegeben
ist. Mehr zu diesem Thema finden Sie beispielsweise auf dieser
Webseite.
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